Oppenheimer Krötenbrunnen

Durch den Wald und das Ried zum Oppenheimer Krötenbrunnen

Informationen und Tipps zur Radtour nach Oppenheim/Rhein am 18. Juli 2004 von Franz-Peter Leppla (Tourbegleiter und ADFC-Mitglied)

Die rund 80 km bis Oppenheim (wo Hessen jenseits des Rheins am schönsten ist) werden uns etwas Ausdauer abverlangen. Aber dafür ist die Strecke über Lämmerspiel, Zeppelinheim, und Trebur total flach. Ewige Meckerer werden die gelegentlichen Rampen auf Brücken über Autobahnen und Eisenbahnen als heftige Anstiege kritisieren. Wir fahren grundsätzlich offizielle Rad-, Feld- und Waldwege und nehmen nur, wenn es unvermeidbar ist, kurze Autostraßenabschnitte (z. B. Ortsdurchfahrten) in Anspruch.

Da wir Mitte Juli mit richtigem Sommerwetter rechnen, ist die Route so gewählt, dass wir uns möglichst lange im Schatten bewegen können. Der Offenbacher und Frankfurter Stadtwald und die Bruchlandschaft südlich des Flughafens machen es möglich. In dem riesigen Waldgebiet bis ins Ried müssen wir jedoch aufpassen, dass wir uns nicht verirren ! Wenn wir am Nachmittag allerdings bei Nauheim das offene Riedgebiet erreichen, wird unser Radweg kilometerweit baumlos (Sonnenschutz nicht vergessen !). Größere Proviantvorräte sind nicht erforderlich. Unsere große Pause in Zeppelinheim und kurze Stopps beim Jagdschloss Mönchbruch und in Trebur warten mit brauchbaren Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten auf.

Ich gehe davon aus, dass wir an diesem Sonntag nicht alleine des Strampelns wegen zum Rhein fahren, sondern neben maßvoller sportlicher Betätigung auch Bekanntschaften, Geschichte und Landschaft realisieren wollen. Am Zwischenziel und Ende unserer Tour soll der Kopf noch aufnahmefähig sein für etwas Luftfahrt, Mittelalter und Kultur (deswegen die zusätzlichen Hinweise unten). Die Tour soll in Oppenheim mit einer „zivilisierten Einkehr" auf individuelle Rechnung ausklingen. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich höchstwahrscheinlich, an geeigneter Stelle (s. unten) die schweißgetränkten Radlerklamotten gegen die in der Packtasche oder im Rucksack kleingefaltete Zweitgarnitur von Hose, Rock, Hemd bzw. Bluse zu wechseln.

 

Zeppelinheim

Den kleinen, versteckt liegenden Ort am Ende einer langen von Baumzweigen schön überwölbten Geraden wollen wir bis 11:30 Uhr erreichen. Hier empfiehlt sich aus mehreren Gründen ein „technischer Halt": Zum einen markiert der Ort etwa die Hälfte der Gesamtstrecke nach Oppenheim, zum anderen bietet ein Kiosk eine einfache, schnelle Verpflegung und drittens können wir in dem Ort, dessen Hintergrund vielen von uns nur vage bekannt ist, ein kleines Museum zur Geschichte des Zeppelins besuchen.

Zwar ist Zeppelinheim nicht die Wiege des vor allem in Deutschland entwickelten Luftschiffes; die stand eher bei Friedrichshafen am Bodensee, wo Ferdinand Graf von Zeppelin Zuhause war. Vielmehr zog 1935/36 die Verlegung des Frankfurter Flugfeldes vom Rebstock zur weiter südlich gelegenen, größeren Freifläche (dem heutigen Rhein-Main-Flughafen) auch den damals international populär gewordenen Zeppelinverkehr an sich. In diesem Zusammenhang entstand für das Boden- und Luftschiffpersonal die Siedlung Zeppelinheim. 1945 hatte das amerikanische Militär die Siedlung komplett beschlagnahmt und erst 1950 wieder zurückgegeben. Noch heute liegt hier ein eigenartiger Schleier von Vergessen und Erinnern in der Luft. Ehemalige Angehörige der Zeppelingesellschaft und ihre Nachfahren sowie Liebhaber der Luftschifftechnik haben mühsam Bauteile, Bild- und Schriftdokumente verschiedener Zeppeline zusammengetragen und diese seit 1988 in einem modernen Anbau an das Gemeindehaus ausgestellt. Das Haus dokumentiert anschaulich eine Technik, in die Deutschland bis zum tragischen Unglück der „Hindenburg" in Lakehurst/USA 1937 große Luftfahrt-Hoffnungen setzte. In einer nachgebauten Sektion der Passagiergondel der „Hindenburg" im Museum bekommt man z. B. ein gutes Gefühl dafür, wie es gewesen sein muss, im Zeppelin gemächlich am Zuckerhut von Rio einzuschweben.

 

Oppenheim

Nach Zeppelinheim durchqueren wir am Südende der unsichtbar bleibenden Startbahn West eine malerische Bruchlandschaft und erreichen bei Nauheim/Trebur das offene Ried. In Trebur rufen wir uns noch in Erinnerung, dass der Ort im frühen Mittelalter zweimal im Zentrum deutscher Geschichte stand. Einmal im Jahr 1024 als hier Konrad II. zum deutschen König gewählt wurde und dann 1076 als hier die Reichsversammlung Kaiser Heinrich IV. zum Gang nach Canossa drängte.

Bald hinter Trebur erkennen wir im Südwesten die Umrisse von Oppenheim. Äußerste Vorsicht lassen wir auf den letzten Metern vor der Auto-Fähre zum Westufer des Rheins nach Oppenheim walten, wo wir zwischen Geinsheim und Kornsand auf die enge, stark befahrene Autostraße müssen !

Oppenheim, auf halbem Weg zwischen Mainz und Worms am Osthang eines Ausläufers des nordpfälzischen Berglandes gelegen, blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurück. Grabungsfunde belegen, dass das Städtchen aus einer römischen, dann fränkischen Siedlung entstand. Das erste schriftliche Zeugnis findet sich in einer Urkunde, nach der 765 ein hiesiger Weinberg dem Kloster Lorsch gestiftet wurde. Möglicherweise liegt in diesem unscheinbaren Vorgang der Keim dafür, dass Oppenheim über 1000 Jahre steter Zankapfel wechselnder Interessen war, zwischen den Bistümern Mainz und Worms (die Grenze verlief zeitweise mitten durch die Stadt), den Klöstern und dem Reich (1225 freie Reichsstadt), den Bürgern und den Burgherren (die nahe Burg Landskron wurde mehrfach von den „freien Reichsbürgern" zerstört), den Bistümern und den Pfälzern, den Katholiken und Calvinisten (Bildersturm in der Katharinenkirche), den Spaniern und Schweden (im Dreißigjährigen Krieg), den Franzosen und Deutschen (Oppenheim war über 100 Jahre französisch), dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt und der Pfalz (daher auch seit 1948 der nichthessische Bezirk Rheinhessen !) und immer wieder zwischen den Bierbrauern und Weinbauern (wegen der Lagermöglichkeiten in den durch geologische Bedingungen begünstigten Kellergewölben unter der Stadt, die Brau- und Schankrechte vergab).

Oppenheim muss also eine interessante Stadt gewesen sein. Unter anderen hielt sich 1076 Kaiser Heinrich IV. hier auf, bevor er folgenreich zum Papst nach Canossa aufbrach. 1521 „überdachte" hier Martin Luther auf dem Weg zum Wormser Reichstag nochmals seine Position. Früh schloss sich die Stadt der Reformation an. Zuvor hatte der durch das Interessengezerre geförderte Freigeist auch schon im 13. Jahrhundert einer jüdischen Gemeinde Raum gegeben, aus dem sehr viel später Bankiers und (Atom-)Wissenschaftler den Namen Oppenheim(er) in alle Welt trugen. Und nebenbei bezüglich Zeppelin: 1908 musste LZ 4 auf seiner ersten Langstreckenfahrt auf dem Ostufer des Rheins gegenüber von Oppenheim notlanden.

Oppenheim ist auch heute noch eine interessante Stadt. Die schöne Terrassenlage oberhalb des Rheins, der schmucke historische Stadtkern mit dem Wahrzeichen Katharinenkirche, die guten Restaurants und natürlich der Ausschank rheinhessischer Weine (die Großlage „Oppenheimer Krötenbrunnen" ist geläufig) machen die Stadt zu einem touristischen Kleinod mit der „Oppenheimer Unterwelt" als Besonderheit. Unter der Stadt verlaufen vielfach verschachtelte Kellergewölbe zur Vorratshaltung und zu Schutzzwecken, von denen die Bewohner der darüber stehenden Häuser und die Stadtverwaltung heute manchmal keine Ahnung haben.

Um einen nennenswerten Eindruck von der Stadt zu gewinnen, steuern wir möglichst vor 16:30 Uhr über den Marktplatz kommend die Sektschenke der Kellerei Gillot an. Dort stellen wir die Räder ab und versuchen, mit der Frischegarnitur aus den Packtaschen (s. oben) den Duft weitgereister Radler loszuwerden. Den Küster der Katharinenkirche wollen wir aber nicht warten lassen. Er versteht es vorzüglich, das facettenreiche gotische Bauwerk einschließlich „Beinhaus" zu zeigen und die ereignisträchtige Geschichte zu schildern. Wer sich dem für 18:30 Uhr vorgesehenen Abendessen bei Gillot („à la carte") anschließt, kommt automatisch auch in den Genuss einer Einführung in die Oppenheimer Unterwelt.

Die Erinnerung an diesen Sonntag kann aber durch einige Flaschen Oppenheimer Krötenbrunnen oder Gillot-Sekt (in Packtasche oder Rucksack Stauraum reservieren) verstärkt und verlängert werden.